05. 05. 2009

SONIA LEIMER

To move in parallel, playing back from earlier

 

 

sonia leimer

 

To move in parallel, playing back from earlier

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist eine Szene aus dem Film Blade Runner, in der die Figur Zhora während ihrer Flucht durch mehrere Glasscheiben springt. Johanna Cassidy wurde in dieser Szene durch die Stuntfrau Lee Pulford ersetzt, die bis heute für ihren Stunt uncreditet blieb. Da man das Gesicht Pulfords in dieser Szene sehr gut erkennen konnte, wurde im 25 Jahre später erschienenen Directors Cut die Szene digital nachgebessert. Cassidy musste zu diesem Zweck die Bewegungen Pulfords in einer Greenbox nachspielen, sodass ihr Kopf dann Frame für Frame digital über den Pulfords gelegt, angeglichen und farbkorrigiert werden konnte. Diese Bilder sind ohne erkennbare Überlagerungen in die bestehende Szene eingefügt worden.

Diese Bewegungen Lee Pulfords und Cassidys lässt Sonia Leimer in ihrer Videoarbeit nachspielen. Die Projektion zeigt eine Frau, die in einer Greenbox mit ihrem Oberkörper in Zeitlupe als Echtzeit performt. Sie erinnert damit an die Zerlegung von Film in Einzelbilder und Sequenzen, an seine Analyse. Gleichzeitig verweist sie aber auch auf die Dramatik, das Schauspielerische und damit auf die Konstruktion von Körper und Identität. Das, was wir vor uns sehen, ist das, was wir im Film selbst nicht wahrnehmen können. Lee Pulford bleibt nicht nur ungenannt, sondern wird konsequent unkenntlich gemacht. Zwei Bilder treffen hier aufeinander, Analoges trifft auf Digitales, sowie im Film selbst Menschen auf Maschinen treffen, die ihnen zu ähnlich geworden sind um sie noch unterscheiden zu können. Es lässt sich nicht mehr genau sagen, wo das eine oder andere beginnt. Es gibt keine eindeutigen Trennungen mehr. Zwei Körper haben sich zu einem vermischt.
Die Frage stellt sich wie es dazu kommen kann, dass die Schnittstellen zwischen fiktiv und real verschwinden? Was sind die Vorraussetzungen und welche Handlungen oder Gesten folgen auf die Wiederentdeckung der Zwischenräume?

In den Raum stellt Sonia Leimer ein L-förmiges Objekt aus vier in ein Metallgerüst eingebauten Glasscheiben. Drei der Scheiben sind normales Fensterglas – die andere ist Crashglas, das für Stunts gebraucht wird und 15 Mal zerbrechlicher ist als normales Glas. Damit kündigt sich der Punkt an, auf den sie ihre Arbeit bringt: die Stellen der Geschichte sichtbar zu machen, an denen die Zwischenräume zwischen real und fiktiv erkennbar werden und mit ihnen ein anderes, ein drittes zu schaffen. Indem sie Crashglasscheibe gegen normale Glasscheibe stellt und den Unterschied zwischen ihnen in den Vordergrund rückt, verweist sie auf die Unterschiede zwischen der Realität der Körper und der des Films. So wie den BetrachterInnen das Crashglas im Raum auffällt, bleibt es im Film unsichtbar. Mit gleicher Deutlichkeit drängt sich die Situation um uns in unser Bewusstsein, mit der sie sich im Film verbirgt.
Einen unsichtbaren Raum beschreibt das Objekt auch dort, wo es die Struktur des Raumes in dem es sich befindet formal wiederholt. Die „unsichtbare“ Wand, Thomas Osterwinters Installation für Saprophyt, wird durch das Objekt gedoppelt – die schon vorhandenen Arbeiten werden zu Requisiten. Aus dem Jetzt wiederholt es nicht nur einen früheren Zustand des Films sondern auch den des Raumes.

Sonia Leimers Arbeit geht über die Rekonstruktion der Überlagerungen hinaus. Sie bricht nicht nur die fiktive, virtuelle Einheit des Körpers auf und legt die Modifizierungen und Überschreibung frei, die das perfekte Bild konstruieren, sondern erzeugt sowohl durch die Überblendung von Cassidy und Pulford als auch mit dem Objekt ein Anderes, Drittes.

 

Text: Barbara Kapusta

 

sonia leimer


sonia leimer

 

Special Thanks to
Anne Juren, Performance

 

sonia leimer

 

 

Continuum

 

Interventions & Exhibitions

 

Projects by Assignments

 

Saprophyt Radio