13. 04. 2010

Screening:

SPIRAL JETTY, Robert Smithson (1970) OF, 16 mm, 35 min

präsentiert von Marlies Pöschl

 

-> INTRO Marlies Pöschl

 

 

Annäherung an Intro
Ein Gespräch mit Marlies Pöschl

Marlies, du hast eine Einleitung zum Screening von Spiral Jetty in Form eines Liebesbriefes geschrieben.
In welchem Verhältnis steht deine Einleitung zum Film, zum Objekt oder zu Robert Smithson?

Zunächst einmal stand für mich im Vordergrund den Film zu zeigen, nicht nur weil er ein wichtiges Werk ist, sondern weil ich ihn wirklich einmal sehen wollte. Und dann kam die Schwierigkeit, wie man mit einem Werk umgeht, über das so unglaublich viel geschrieben wurde. Ich wollte versuchen, mit meiner Einleitung eine gewisse Offenheit zu erzeugen, und fand die Idee eines Nicht-Wissens, das nicht einfach eine Unwissenheit ist, schön.
Ich wollte keinen Text, der dem Publikum sagt, was gesehen werden soll, der etwas Bestimmtes voraussetzt, sondern einen, der ein paar Motive oder Momente aufgreift, die mich beschäftigen, bevor ich mir diesen Film sehe, und dies spürbar macht.
Das wollte ich auf einer sehr subjektiven Ebene formulieren - deshalb der Brief. Ich wollte respektvoll aber auch nicht zu ehrfurchtsvoll mit der Arbeit umgehen und habe deshalb versucht, mir eine Struktur, die auch in Smithsons Arbeit wichtig ist, den ‘allegorischen Impuls’, zurück zu holen und für mich zugänglich zu machen, zugegeben, in einer recht wörtlichen oder verspielten Weise, indem ich Site und Non-site als Allegorie realisiere.

Wie realisiert sich diese Allegorie?

Ich habe in dem Text versucht, die Struktur der Site und Non-site auf zwei Figuren zu übertragen, und diese Übertragung bringt natürlich auch bestimmte Verkürzungen der Ideen Smithsons mit sich. Ich verstehe sie mehr als einen Ausgangspunkt, eine Skizze, die noch einmal versucht, diese beiden Elemente zu brechen und so einer Diskussion zugänglich zu machen. Wir hören/lesen die Rede eines Ichs, das ein Du anspricht, und es in seinem Sprechen entwirft und konstruiert. Das Du ist uns nur über das Ich zugänglich so wie die Site uns im Ausstellungsraum in dem wir uns befinden nur über die Projektion, die Non-site zugänglich ist.

So wie die Repräsentation der Site durch die Non-site unterschiedlichen medialen Begrenzungen unterliegt, wird auch das Ich als ein Medium verstanden, das nur ein nicht-ähnliches Bild des Du zeichnen kann. Während in meinem Text Ich und Du eine Opposition erzeugen (weil wir nur die Perspektive des Ichs kennen also nur die Non-site sehen), wird diese Dialektik in Smithsons Spiral Jetty zu einer unauflösbaren Spirale, in der beide Teile beständig aufeinander verweisen.

 

 

Ich lese den Brief als Symbol/symbolische Struktur. Wieso wählst du die Form des Liebesbriefes?

Am Brief als Textsorte oder Genre hat mich interessiert, dass er an sich schon eine bestimmte Richtung hat, dass er auf die Verbindung zweier Personen zielt. Die Form des Briefes ermöglicht es, Strukturen von Begehren, An- und Abwesenheit sichtbar zu machen. Darin verbirgt sich aber auch eine Abgrenzung von einem Außen, eine Intimität, aber auch die Möglichkeit, dass diese Intimität durchbrochen wird, wenn jemand anderer den Brief findet. Was kann der Brief für jemanden bedeuten, der außerhalb dieser Verbindung steht? Für jemanden, der nichts über diese Personen weiß?
Neben dem Brief gibt es auch eine Rahmenhandlung innerhalb meines Textes, sie ist eine Einführung in die Einführung, die dem Brief während des Lesens einen Ort und eine Zeit zuschreibt. In dieser Rahmenhandlung wird der Brief von einer außenstehenden Person gefunden, es beginnt ein Lektüreprozesses, der auch eine Verbindung zwischen der Relektüre von Spiral Jetty im Saprophyt herstellt.
Am Liebesbrief fand ich spannend, dass der Diskurs der Liebe ‘fehl am Platz’ ist, weil von anderswo her gesprochen wird. Er nimmt also eine Position ein, die außerhalb einer bestimmten Wissensordnung steht. Gleichzeitig fand ich auch, dass Analogien zwischen der Liebe und dem ‘allegorischen Impuls’ bestehen, dass, während die Allegorie die Grenzen zwischen Text und Bild, also Literatur und Kunst aufbricht, die Liebe Grenzen zwischen zwei Menschen auflösen will.


Welche Überlegungen gab es im Vorfeld des Screenings zu seiner Form und wie kam es zum Intro? Warum eine Einleitung?

Im Hinblick auf das Format war ja für uns alle klar, dass wir den Film in seiner ursprünglichen Fassung, einer 16 mm Kopie zeigen wollten, was natürlich auch einen gewissen Aufwand, oder eine Verausgabung bedeutet, wenn man diese nur für eine Vorführung bestellt. Die Idee für das Intro entstand dann aus meinem Interesse für Konventionen des Zeigens in unterschiedlichen Institutionen. Neben dem Rahmen, den der Ort und die Projektionsanordnung darstellen, wollte ich auch mit dem diskursiven Rahmen arbeiten. Die Einführungen in Filmprogramme/-screenings, die ich bis jetzt gehört habe, führten meistens dazu, dass ich den ganzen Film nach einem Raster, das mir vorher bereitgestellt wurde, abgesucht habe. Deshalb habe ich mich für einen künstlerischen Text entschieden, der zwar von Robert Smithsons Arbeit ausgeht, aber auch seiner eigenen Logik folgt und damit eine Vielfalt von Assozationen ermöglicht.

 

 

Gibt es ein Verhältnis zwischen Intro und dem Raum Saprophyt?

Die Rahmenhandlung deutet Saprophyt als einen Raum an, der wie von selbst beginnt zu wachsen, der sich ausbreitet und unvorhergesehene Formen annimmt. Sie spielt an auf die Animation, die der Raum durch den Namen und das Konzept erfährt. Trotzdem erscheint er aber nicht als etwas Natürliches, sondern künstlich und auf unheimliche Weise altmodisch. In der unauflösbaren Verbindung der Arbeiten mit dem tatsächlichen, physischen Ort liegt für mich auch eine gewisse Nostalgie. Es ist, als würde Saprophyt Konzepte von Ortsspezifität, die in den 60er Jahren geprägt wurden, zuspitzen und re-inszenieren. Während die anderen Arbeiten in Saprophyt aufeinander Bezug nehmen, also auf etwas, das im Raum anwesend ist, hole ich etwas von Außen, eine schon bestehende Arbeit, für einen Abend in den Raum.
Außerdem hat mich daran noch interessiert, dass Saprophyt das Versprechen in sich trägt, Arbeitsprozesse und soziale Beziehungen sichtbar oder nachvollziehbar zu machen, also auch Erinnerung zu materialisieren. Dadurch bekommen die Objekte, die von den vorangegangenen Arbeiten im Raum sind, für mich so eine unglaubliche Wichtigkeit. Und dabei frage ich mich auch, was kann von den Film, dem Screening im Raum festgehalten werden?

Es geht in deinem Brief immer wieder (auch) um Vertrautes und Neues. Welche Rolle spielt Erinnerung?

Einerseits geht es um Erwartung, und immer wieder darum, wie die Dinge, die wir gehört oder gesehen haben, das beeinflussen, was wir jetzt sehen und ob wir uns davon befreien können - was mich gerade bei einer Arbeit wie Spiral Jetty beschäftigt. Einige Passagen des Intros stellen die Glaubwürdigkeit dieser Bilder in Frage.
Außerdem wollte ich auch die Zeit, die seit der Errichtung der Spiral Jetty und der Produktion des Films vergangen ist, wahrnehmbar machen und ein Gefühl dafür erzeugen, was es bedeutet, heute diesen Film zu zeigen/sehen. Ich wollte das Sich-Nicht-Sehen, das Sich-Verändern ganz groß erscheinen lassen im Gegensatz zu der wirklich gemeinsam verbrachten Zeit.
Die Erinnerung taucht einerseits auf als fragwürdige Rekonstruktion von etwas Gewesenem aus einem heutigem Standpunkt. Andererseits kreist der Text um die Ungreifbarkeit der Erinnerung, um die Unmöglichkeit, das Vergangene fest zu halten und die Frage danach, wie man zum Beispiel dieses Screening fassen könnte. Mich beschäftigt auch die Frage nach der Bedeutung von Rezeptionsprozessen und deren Nachvollziehbarkeit. Laura U. Marks schreibt in The Skin of the Film:„Each viewing expands the meaning of a work; as reception theorists say, it completes it. Each new discursive context becomes part of the material of the film or video, and subsequent viewers often take these contexts into account as part of their experience of the work. (...) Traces of other viewings, of differently seeing audiences, adhere to the skin of these works.“ (Laura U. Marks: The skin of film)
Wie könnte man diese Einschreibung des Publikums in die Haut des Films fassen? Wie kann man sie nachvollziehen?

Laura U. Marks.: The skin of the film. Intercultural cinema, embodiment, and the senses. Durham [u.a.]: Duke Univ. Press, 2000

 

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