OCTAVIAN TRAUTTMANSDORFF

Ad acta

06. 10. 2009 - 03.12.2009

- > im Außenraum

 

 

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Octavian Trauttmansdorffs Arbeit für Saprophyt ist eine Beobachtung. Er verknüpft darin eine Geschichte über den Wiener Franz Josefs-Bahnhof mit Beobachtungen zur Kunstproduktion und Präsentation. Am Parkplatz vor Saprophyt installiert er einen Raum – oder vielmehr das Modell eines Raumes. Die benutzten Materialien sind einfach: Holz und Ytong tragen eine Hülle aus Wellpappe und ein Welldach. Die Konstruktion ist schlicht und modellhaft – sie ist tatsächlich mehr Vorstellung eines Ortes als eine reale Behausung. Vielmehr lässt sich das Modell als Struktur und Form begreifen. „Es ist eine künstliche Situation. Es ist eine Möglichkeit sich selbst eine strukturelle Situation zu schaffen. Natürlich ist man durch die Wellpappe nahe am sozialen Klischee und der Idee der Favela. Es ist aber alles andere als eine Favela. Es ist eine Hütte in einem Kunstkontext, die in fünf Tagen wieder weggeräumt sein wird.“ Mit dem Außenraum schafft Octavian Trauttmansdorff eine Struktur, ein Verhältnis zur Umwelt und zur Öffentlichkeit, die täglich die Installation passiert, aber auch ein Verhältnis zum Ausstellungsraum. Es ist ein Blick nach Innen und gleichzeitig nach Außen, wobei nie ganz klar ist worauf sich dieses Innen und Außen bezieht. Vielmehr springen die Einzelteile der Arbeit immer zwischen den Bezeichnungen und Zuweisungen. Sobald man sie festmachen möchte, entgleiten sie.
Durch eine schmale Öffnung betritt man die Konstruktion und steht dann in einem Zimmer mit Holzbank. An die Wand gepinnt findet man Octavian Trauttmansdorfs Text Zwischen den Gleisen. Er schreibt darin über einen gesellschaftlichen Ablauf, einen Wiener Bahnhof und über den Tausch körperlicher Arbeit gegen Wein, über eine Aufenthaltsmöglichkeit und dann aber auch über das Verschwinden dieses Ortes. Die Helfer – sie säubern die Züge von toten Fasanen - bekommen ihre Arbeit mit Wein bezahlt. Das geht so lang, bis ihnen der Zugang zum Bahnhof verwehrt und die Situation sich umschichtet – verlegt wird. Genauso wenig allerdings wie die Außeninstallation einen realen Ort bezeichnet, einen Zustand repräsentiert, ist sein Text als Portrait gedacht. Auch dieser changiert zwischen Innen und Außen, wehrt sich gegen die Festlegung auf ein Genre, auf ein Bild. Octavian Trauttmansdorff stellt sich gegen die einfachen Bilder und Repräsentationen, weil er weiß, dass sie ungenau sind. Es geht ihm nicht um Klischees und einfache Zuweisungen, sondern um die Beobachtung. „Wenn ich in dem Text eine ganz bestimmte andere Geschichte beschreiben würde, einen gesellschaftlichen Auftritt – Cannes oder Basel, einen intellektuellen oder bürgerlichen Kontext - dann würde der Text ganz anders aufgenommen werden als der, indem ich vom Bahnhof spreche, obwohl er genau dasselbe wäre.“

 

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Im Innenraum von Saprophyt hat Octavian Trauttmansdorf eine zweite Konstruktion aus Wellpappe installiert. Einen Raum im Raum, hinter dem alle anderen Arbeiten, alle schon im Raum vorhandenen Materialien und Objekte verschwinden. Diesen „White Cube“ aus Wellpappe wird er im Laufe der Ausstellung bespielen. Er wird darin Fotografien belichten, Aufnahmen des Publikums, in denen er zu sehen hofft, was er auch über die anderen Installationen sichtbar machen möchte - gesellschaftliche Strukturen und Normierungen, Hierarchien und Ordnungen. Anhand der Körpersprache der Anwesenden untersucht seine Arbeit die Struktur des Gesellschaftlichen. Hier wird wieder klar, dass keine Begebenheiten geschildert werden, nicht gewertet oder moralisiert wird. Es werden keine Bilder sondern Möglichkeiten zur Betrachtung konstruiert.

 

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Gleichzeitig reflektiert dieser Raum im Raum die Diskussion um den Ausstellungsraum selbst - als Display und Format der Präsentation künstlerischer Arbeit. „Die Leute geben eine unheimliche inhaltliche und theoretische Wahrheit auf den White Cube oder arbeiten so bewusst dagegen. Ich glaube nicht daran. Weder an die Kritik noch an die Befürwortung. Meiner Meinung gibt es da noch eine andere Möglichkeit und die ist wahnsinnig zeitlich bestimmt.“ Wie auch im Text Zwischen den Gleisen zeigen sich Strukturen, Machtverhältnisse und Normen, die manchmal sichtbarer und anderswo verborgener sind. Über die Position und den Blickpunkt werden sie sichtbar – wobei dieses Sichtbar-Werden / Sehen nicht die Aufdeckung einer Wahrheit bedeutet, sondern bloß eine Feinfühligkeit Abläufen gegenüber, die sich schnell ändern, zeitlich oft begrenzt sind und nach einer kurzen Weile ganz anders aussehen als zuvor.
Octavian Trauttmansdorff nimmt keinen überlegenen Standpunkt ein, ist doch die Skepsis an vorschnellen Sicherheiten schon in seiner Arbeit inkludiert. Den Ort von dem aus man sieht, muss man immer wieder neu einnehmen und jede Situation verlangt einen eigenen Blick. Damit schließt sich im Vorhinein eine einzige Richtigkeit oder Autorität aus.

(Barbara Kapusta)

 

 

 

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